Geschlossene Biergärten, Robotik und Schnee

Eigentlich wollte ich weit weg vom eigenen Kontinent. Dank der aktuellen Situation habe ich es zwar nur bis nach München geschafft, durfte dafür aber an der Spitze der Innovation mitarbeiten.
Ich krieg ‘ne Breze
Als Schweizer denkt man, dass uns nicht viel von den Deutschen unterscheidet. Die Sprache ist die gleiche, unsere Länder grenzen aneinander und auch sonst habe ich mich immer gut verstanden mit den nördlichen Nachbarn. Deshalb waren meine Erwartungen an München auch nicht grösser, als wenn ich von einem Kanton in den anderen wechseln würde. Doch wenn man einmal da ist, merkt man, dass es doch ein paar Unterschiede zwischen unseren Kulturen gibt. Die Deutschen sind direkt und sagen, was sie denken. Die kleinen Unterschiede im Sprachgebrauch lässt die Deutschen für uns Schweizer manchmal arrogant erscheinen. Am Anfang habe ich bei Aussagen wie «Ich krieg ‘ne Breze!», als ein Kollege in der Bäckerei etwas bestellt hat, grosse Augen gemacht. Für mich wäre eher «Ich hätte gerne diese Breze, wenn es ihnen keine Umstände macht,» angebracht gewesen. Man gewöhnt sich aber schnell an den Sprachgebrauch und merkt, dass dies überhaupt nicht böse gemeint ist, sondern eher einfach eine effiziente Umgangsform.
Die allgemein bekannte Eigenschaft Münchens – nämlich, dass das Essen deftig ist, und dass sehr gutes Bier gebraut wird – kann ich bestätigen. Da während der meisten Zeit meines Aufenthaltes eine strikte Gastronomieschliessung Realität war, fanden die kulinarischen Erlebnisse nur selten in Biergärten oder Bierhallen statt. Doch auch als Schweizer kann man zu Hause wunderbare «Weisswürstl» selbst kochen und mit süssem Senf, einer Breze und einem guten Paulaner Bier geniessen.
Natur und Hobbypiloten
Obwohl München mit fast 1.5 Millionen Einwohnern die drittgrösste Stadt von Deutschland ist, gibt es erstaunlich viel Natur. Am besten hat mir der Schlosspark Nymphenburg gefallen, welchen ich mehrmals in der Woche zum Spazieren oder Joggen ansteuerte, egal bei welchem Wetter.
Wenn sich dann mal die Sonne zeigte, hiess die Freizeitbeschäftigung «fliegen». Mit meinen Arbeitskollegen verabredete ich mich mit unseren Race-Drohnen auf einer grossen Wiese. Das gemeinsame Hobby half mir sofort, den Draht zu den Leuten im Büro zu finden. Somit mussten sich die Interaktionen mit meinem Team nicht nur auf die Arbeit beschränken, sondern weiteten sich auch auf die Wochenenden aus.
Entwickeln am GoFa™
Die Büros von der ABB Automation GmbH befinden sich ein wenig ausserhalb von München in Gilching. Von der Strasse ist das harmlose ABB-Logo kaum zu erkennen und auch, dass sich die Büros nur über einen Stock erstrecken, ist dem, was dahinter steckt kaum würdig. Das Team von etwa 35 Ingenieuren, Softwareentwicklern, Mechaniker, Managern und Marketing-Spezialisten bringt hier die Entwicklung des neuen «GoFa™ CRB 15000 Roboter» vorwärts. Mit dem GoFa™ bringt ABB ein Produkt auf den Markt, welches meiner Meinung nach eine wichtige Nische im Portfolio schliessen kann. Der kollaborative Roboter hat eine hohe Genauigkeit, kann sich schnell bewegen, hat ausreichend Kraft und ist gleichzeitig sicher, so dass man in Kollaboration mit ihm arbeiten kann. Dazu kommt noch, dass die Programmierung kinderleicht ist. Da der Roboter Drehmomentsensoren in den Gelenken eingebaut hat, fühlt dieser, welchen Druck der Bediener auf ihn ausgeübt. Somit kann der GoFa nicht nur mithilfe eines Joysticks bewegt werden, sondern auch direkt von Hand in die gewünschte Position geschoben werden.
Launch eines bahnbrechenden Produktes
Ich hatte sehr grosses Glück, dass ich zum Zeitpunkt des Produkt-Launch Teil des Teams sein durfte. In dieser Zeit geht es in den Büros drunter und drüber. Nicht unbedingt wegen des Events selbst, sondern weil ab diesem Event Bestellungen reinkommen und das Produkt somit in sehr naher Zukunft raus muss. Es gilt, letzte wichtige Softwareprobleme zu lösen, oder die Produktion zu unterstützen, damit sie die ersten Vorserien-Roboter fertig produzieren kann. Dass sich ein Teil der Entwicklung in Schweden und die Produktion sich in China befindet, erleichtert im Normalfall die Problemlösung nicht gerade. Der relativ grosse Druck in dieser Zeit hat die drei Standorte aber sehr eng zusammengeschweisst und dadurch das effiziente Arbeiten und das schnelle Beheben von Problemen ermöglicht.
Als ich dann den GoFa™ Roboter, mit welchem ich die ganze Zeit gearbeitet habe, plötzlich auf allen sozialen Kanälen und in den Medien gesehen habe, hat mich das schon ein wenig Stolz gemacht, dass ich an diesem Produkt mitarbeiten durfte.