Zwischen Erdöl, Gas und Elektroautos: Norwegen im Energieüberschuss

Die Erdöl- und Gasproduktion bringt Norwegen rund 25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts ein. Doch Mentalität, Atmosphäre und Autos sind eindeutig grün.
Auf dem Land und besonders in der Hauptstadt Oslo ist von der Rohstoffförderung überhaupt nichts zu spüren. Ab 50 Kilometer von der Küste entfernt beginnt jedoch die hochindustrialisierte und aktive Rohstoffextraktion. Von Nord bis Süd, von Ost nach West, wird in Norwegens Meeresboden gebohrt und geschöpft. In diesem Umfeld bewege ich mit meinem Assignment bei ABB. Meine Challenge ist es, die digitalen Lösungen von ABB in der Industrieautomation zu fördern.
Norwegen – ein exportorientiertes Land
Für sechs Monate bin ich im Rahmen meines Trainee Programms in Oslo. Die Hauptstadt Norwegens hat knapp 600 000 Einwohnerinnen und Einwohner und erwartet bis 2040 rund 30 Prozent an Wachstum. Überall wird wegen Urbanisierung stark gebaut. Am Horizont sind viele Kräne zu sehen und es entstehen einige brandneue Viertel in der Stadt und an der Küste. Die stark ausgeprägte Förderung der Elektrifizierung des Verkehrs ermöglicht die grösste Dichte an Elektroautos der Welt. Hier verbrennt jedes dritte Auto keinen Treibstoff mehr.
Norwegen ist schliesslich auch ein Land mit starkem Stromüberschuss. Dank guter geographischer Lage kann das Land 95 Prozent seines Stromverbrauchs durch Wasserkraft bedecken und zusätzlich noch sehr viel Strom nach Dänemark, Schweden und Grossbritannien exportieren. Doch nicht nur Strom gibt es hier zu viel: Norwegen liefert 25 Prozent des europäischen Erdgases und exportiert jährlich insgesamt über 80 Prozent seiner eigenen Energieproduktion (Erdöl, Gas, Strom).
In den vergangenen Jahren ist in diesen Bereichen daher auch ABB gewachsen. Das grösste Geschäft ist die Industrieautomation für den Energiesektor. In Oslo sind rund 400 Personen in diesem Bereich bei ABB beschäftigt. Die grösste Aufgabe des Teams besteht darin, dem Kunden zu helfen, seine vorhandenen Ressourcen bestmöglich auszunutzen. Dabei dehnt sich das Produktportfolio von der Automatisierung von Offshore-Wind- und Ölplattformen bis hin zur Fischzüchtung, denn die grossen Player der Erdölbranche arbeiten stark an ihrer Diversifizierung.
Meine Arbeit bei ABB in Oslo
Eine Besonderheit der Abteilung ist die vergleichsweise geringe Anzahl an Projekten, die jedoch dafür umso grösser sind und die Teams über Jahre beschäftigen. Die engen Kundenbeziehungen führten dazu, dass ABB in Oslo ein «Collaborative Operations Center» gründete, in dem nun gemeinsam mit Kunden Lösungen für Offshore- und Onshore-Installationen entwickelt werden. Rund 200 Mitarbeitende arbeiten alltäglich eng mit dem Endkunden zusammen und können die meisten Operationen von der Ferne aus steuern. Das entwickelte Know-how ist sehr anerkannt und befragt.

Meine Aufgabe ist es, einen Teil dieser kundenspezifischen Lösungen exportbereit zu machen. Als «Business Development Specialist» arbeite ich eng mit Entwicklungsingenieuren und Verkäufern zusammen. Ziel ist es, diese Lösungen unter der neuen ABB-Ability-Plattform vermarkten zu können. Das Verkaufsmodell könnte revolutionär sein, schon heute verkauft die lokale Einheit diverse Lösungen nur noch in Servicestunden und nicht mehr in Produkten. Dies ermöglicht ganz andere Perspektiven für die Kundenbeziehungen, die ABB seit Jahrzehnten aufbauen konnte.
Mein Team besteht aus Account Managern und Verkaufsingenieuren, mit denen ich auch das Büro teile. Die Arbeitsatmosphäre ist sehr fokussiert und produktiv. Ein typischer Arbeitstag beginnt um 08:00 Uhr und endet um 16:00 Uhr, wobei auch frühere Feierabende keine Seltenheit sind. Danach ist jeder draussen am Sport treiben oder Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen. Natürlich gibt es wiederum auch Phasen, in denen die Arbeitslast stärker ist und wo man ein wenig länger bleiben muss, andererseits gibt es wiederrum auch Situationen, in denen man früher gehen kann. Wie die Zeit im Büro nach 18 Uhr ist, habe ich bis jetzt nicht erfahren. 🙂

Zwischen Feuer und Eis: die norwegische Kultur
Erschreckend kühl wirkte die Mentalität auf den ersten Blick auf mich, denn viele Norwegerinnen und Norweger sind erst einmal auffällig ruhig und schüchtern. Damit musste ich in den ersten Wochen sowohl auf der Arbeit als auch privat klar kommen. Aus den langen Winternächten und den kurzen Tagen, an denen die Sonne nur maximal vier Stunden scheint, wird es im Sommer immer heller. Gerade im Sommer sind die Tage am längsten: von 03:30 Uhr morgens bis 23:00 Uhr abends scheint in Oslo die Sonne. In Hammerfest, auch bekannt als ABB nördlichster Standort weltweit, steht die Sonne im Sommer durchgehend ganz oben im Himmel. Im Winter ist dafür alles dunkel. Gefühlt hat sich das lokale Temperament an diese Schwankungen angepasst und je nach Situation scheint sich die Mentalität zu ändern. Im Laufe der Wochen tauten die Mentalitäten gemeinsam mit dem endenden Winter auf. Auf der Arbeit und in der Öffentlichkeit recht distanziert, beim Sport und beim Feiern sehr offen und warm, und das kommt öfter vor, wenn der Sommer naht. Mein persönlicher Tipp, um die Einwohnenden in Norwegen von der besten Seite kennenzulernen: Fitness betreiben, zum Beispiel im Fitnessstudio, Ausflüge unternehmen und Stand-Up-Komödien besuchen.

Natürlich wird auch gelacht, aber vor allem, wenn sich die Gelegenheit auch anbietet. Am liebsten geht man mit Freunden und Kollegen zu Stand-Up-Komödien, in denen sich Komödianten auf Englisch oder Norwegisch etwas vorspielen und den ganzen Saal zum Lachen bringen. In Oslo gibt es diese Veranstaltungen fasst jeden Abend, um jede Zeit. Die Lieblingsthemen: Witze über Schweden, Dänen und den Brexit. Auch über den Nachbarn lachen kann jeder, das war ich aber auch schon von der Schweiz gewöhnt!
Hier herrscht zudem eine sehr dominante Körperkultur, ob Frau oder Mann, jeder trainiert – und zwar ordentlich! Ganz im Gegenteil zu den zentral europäischen Ländern, wie in der Schweiz zum Beispiel, zeigt man hier gerne sein Körper ohne Komplexe. Unter dem Motto «Hauptsache Muskeln und schöne Formen» gibt jeder sein bestes um fit auszusehen. ABB hat in den meisten Standorten einen eigenen Fitnessraum oder sogar eine Sportanlage: dort verbringe ich die meiste Zeit nach der Arbeit. Nach einer Joggingrunde mit meiner Kollegin Kristine und einer intensiven Deadlift- und Squat-Session mit Henrik oder Emil, geht es mit ein wenig Muskelkater in den fröhlichen, zufriedenen und sehr sonnigen Abend.

Übrigens sind hier die meisten nahezu süchtig nach der Sonne. Sie unternehmen daher viele Reisen, von denen sie dann sehr gerne berichten. Am Mittagstisch redet man am liebsten von der nächsten Traumdestination oder vom letzten Wochenende auf der Familienhütte an der norwegischen Westküste. Auch ich habe bereits verschiedene Touren durch Norwegen unternommen, meine nächste Reise an Norwegens schöne Westküste ist schon geplant. Und auch wenn die Schweiz mehr Sonne hat, die Meeresluft hier werde ich vermissen – so gerne würde ich ein bisschen etwas davon mitnehmen!
Das Sales Trainee Programm fokussiert sich auf die praktische Ausbildung junger Absolventinnen und Absolventen im Ingenieurbereich mit bis zu anderthalb Jahren Berufserfahrung die sich auf sales focusieren Möchte. Während drei Assignments à 6 Monaten lernen die Trainees unterschiedliche Bereiche von ABB kennen. Sie gestalten das Programm aktiv selbst mit, in dem sie sich die Assignments selbst suchen innerhalb dem Sales bereich und somit von Beginn an mitentscheiden, welchen beruflichen Weg sie während, aber auch nach dem Programm, einschlagen. Ziel eines Trainee-Programms ist es, auf eine breite und aufeinander abgestimmte Basis für die anschliessende Festanstellung bei ABB Schweiz hinzuwirken. Mehr Informationen über das Trainee Programm findest Du hier.